Eine ganze Nacht voll Musik

Dösen ausdrücklich erwünscht: Schlafkonzert in Heidelberg

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Von Autor/in Janine Putzek

Im Konzert einzuschlummern? Während des Schlafkonzerts beim Musikfestival Heidelberger Frühling war das explizit gewünscht. Die jungen Musikerinnen und Musiker des Festivalcampus-Ensembles haben die ganze Nacht durchgespielt.

In der Aula des Collegium Academicum in Heidelberg herrscht gedimmtes bläuliches Licht. Auf dem Boden sind Isomatten, Schlafsäcke oder Matratzen. Im hinteren Teil des Raumes wurden sogar zwei Hängematten zwischen den Säulen aufgehängt. Ganz wenige sitzen wie im klassischen Konzert auf Stühlen.

Schlafkonzert im Collegium Academicum in Heidelberg
Die Konzertbesucher haben ihre eigenen Schlafsachen mit in die Aula gebracht.

Die Nacht ist eine unerforschte Zeit

Etwa 30 Personen haben in dieser Nacht dem Konzert gelauscht oder dazu geschlafen. Die Idee dazu hatte der junge Cellist Joe Pritchard. Für ihn eine absolut lohnende Erfahrung: „Ich wollte schon immer ein Konzert in der Nacht machen, weil ich glaube, dass das eine unerforschte Zeit ist.“

Es sei schließlich die einzige Zeit, in der wir nicht von Terminen getrieben werden. Bei manchen entsteht während des Konzerts ein Gefühl der Zeitlosigkeit. Man wechselt zwischen Wach- und Schlafphasen, immer geborgen von der Musik.

Das geplante Programm muss spontan geändert werden

Joe Pritchard hat sich zusammen mit seinen Mitmusikanten vom Festivalcampus-Ensemble ein etwa achtstündiges Programm für die Nacht überlegt. Mit zwei Geigen, Bratsche, Cello, Kontrabass, Klarinette und Klavier spielen die Musikerinnen und Musiker in immer wechselnden Besetzungen.

Das Programm wird in der Nacht jedoch immer wieder umgeworfen, denn viele der Zuhörenden schlafen schneller ein als gedacht. Das Konzert geht um 23:00 Uhr los. Die Musikerinnen und Musiker haben damit gerechnet, die ersten ein bis zwei Stunden noch lautere Stücke spielen zu können.

Schlafkonzert im Collegium Academicum in Heidelberg
Während das Ensemble spielt, haben sich die meisten im Publikum schon in ihre Schlafsäcke gekuschelt.

Nachts ist eine andere Spielweise gefordert

Geigerin Emily Turkanik erinnert sich noch, dass sie ihre ganze Spielweise anpassen mussten. Statt wie am Tag virtuos, war in der Nacht leises und nicht zu hektisches Spiel gefragt. Außerdem erkannten die Musikanten Stille als störenden Faktor. Sie improvisieren viel zwischen den verschiedenen Stücken, damit die Musik durchgängig fließt.

Im Laufe der Nacht legen sich die Ensemblemitglieder nach und nach auf den herumstehenden Sofas schlafen. Die Besetzung wird immer kleiner, bis nur noch Joe Pritchard übrig ist. Das war genau sein Konzept für die Nacht.

Schlafkonzert im Collegium Academicum in Heidelberg
Connie Pharoah (Viola) und Benjamin Günst (Klavier) improvisieren tief in der Nacht mit sphärischen Klängen.

Solistische Celloklänge in den frühen Morgenstunden

Um sechs Uhr beendet der Cellist sein Spiel. Bis dahin hatte er für etwa anderthalb bis zwei Stunden die Cellosuiten von Johann Sebastian Bach gespielt. Mit Dämpfer klangen die Solosuiten sehr besonders und intim.

So leise und zurückhaltend zu spielen, sei körperlich sehr anstrengend, sagt Joe Pritchard hinterher. Er sei zwar physisch müde, dafür aber psychisch sehr angeregt gewesen.

Viele im Publikum sind beim Aufwachen am Morgen wahnsinnig dankbar. Manche sprechen mit Tränen in den Augen von einer einmaligen Erfahrung. Auch wer die ganze Nacht wachgeblieben ist, kam auf seine Kosten. Wegen der besonderen Atmosphäre hat sich die Musik auf völlig neue Weise entfaltet.

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