Tagung im Deutschen Literaturarchiv Marbach

Warum unbedingt Podcasts? Literaturvermittlung zum Anhören

Stand

Von Autor/in Andreas Dangel

Podcasts sind das Medium der Stunde - auch in der Literaturlandschaft. Studierende meinen: Digitale Formate sind die Zukunft der Vermittlung.

Statt Beifall gibt es am Ende jedes Vortrags ein Klopfen auf den Tisch – wie ihren Heimat-Universitäten Stuttgart, Tübingen und Bamberg nach einer Vorlesung üblich. Rund 30 Studierende sitzen an diesem Donnerstagnachmittag im modernen Konferenzraum des Literaturarchivs Marbach. Bei einer Tagung, die sich ganz dem Thema Literatur und Podcast widmet. 

Studentin Antonia stellt einen Podcast in ihrem knapp 30-minütigen Vortrag vor. 

Praxis und Theorie kombiniert 

Wir sind im wissenschaftlichen Teil der Studierendentagung, zu der das Literaturarchiv die jungen Podcasthörer und -macher geladen hat. An zwei Tagen treffen sie sich in Marbach.  

Heike Gfrereis ist Honorarprofessorin am Deutschen Literaturarchiv und hat die Tagung mitorganisiert. Für sie stehen heute zwei Dinge im Fokus:

„Zum einen literaturwissenschaftliche Vorträge: Was passiert, wenn ein Fach wie die Germanistik sich diesem neuen Medium Podcast – und zwar Podcast über Literatur und Podcast als Literatur annimmt?  

Und: Was uns besonders interessiert, welche Ideen haben die Studierenden wenn sie selber Podcasts machen dürfen? Das heißt, was lesen die, wie lesen die, wie realisieren sie dieses Medium? Das ist auch für uns spannend, weil es nochmal eine andere Generation ist, die damit umgeht, die einen anderen Literaturbegriff hat. Wie wir heute gesehen haben – mit ganz ungewöhnliche und tolle Ideen bei der Umsetzung.“ 

Podcast als Literaturvermittlung 

Podcasts sind längst kein Nischenphänomen mehr. Für viele ist das Medium ein neuer Weg, Literatur jenseits der klassischen Kritik zu erleben. Eine Studentin meint:

„Da ist der Podcast wahrscheinlich eine gute Möglichkeit auch jüngere Leute anzusprechen. Auch mit dem, was sie lesen, dass sie sich da eben mehr repräsentiert fühlen.“  

Man ist sich einig. Die Landschaft der Literaturvermittlung befindet sich im Wandel. Digitale Formate werden immer beliebter. Wie sieht die Zukunft der Podcasts aus? Können sie bei der literarischen Vermittlung den traditionellen Formen den Rang ablaufen?  

Ja – sagt diese Studierenden: „Auf jeden Fall. Also, ich würde auch sagen, das ist auf jeden Fall das neue Medium. Wer hat noch Zeit wirklich aktiv zu lesen, es ist viel einfacher zu hören. Man kann nebenbei Sport machen, Haushalt... Deswegen würde ich schon sagen, Podcasts erobern das Feld.“

 

Experimentieren mit neuen Podcast-Ideen 

Die eigenen Podcast-Ideen haben die Teilnehmer bereits am Mittag in kleinen Gruppen erarbeitet.  

Nancy Hünger, Mit-Organisatorin und Leiterin des Studios Literatur und Theater an der Universität Tübingen ist von den ersten Entwürfen begeistert.  

„Das sind ganz unterschiedliche Formate, die Studenten haben quasi auch nach Leerstellen gesucht. Was interessiert sie, was gibt es noch nicht? Es gibt z.B. die Idee für einen „Nature Writing Podcast“, wo jetzt schon eine erste Folge konzipiert wurde.  

Es gibt einen Podcast, der heißt „Verstehst du mich?“ Da geht es um Muttersprache, Fremdsprache, aber auch verschiedene Ebenen der Kommunikation und des Verstehens. Dann haben wir eine Literaturpodcast, der versucht die Literaturwissenschaften besser zu vermitteln. Also ist das, was für alle? Was können die Leute lernen im Umgang mit Literatur?  

Dann gibt’s die Idee für einen Schullektüre begleitenden Podcast, der für Schüler quasi die gängigen Schulbücher aufschlüsseln kann. Kapitel für Kapitel, damit sie quasi Lust aufs Lesen bekommen haben.“ 

Podcasts machen Literatur nahbar 

Lyrikerin Carolin Callies steht mit in der Runde und lacht. Sie gehört ebenfalls zum Organisationsteam.  

Als Host des Podcasts „Kapriolen“, den sie gemeinsam mit dem Literaturhaus Stuttgart produziert, weiß sie was den Reiz an diesem relativ neuen Medium ausmacht:

„Warum unbedingt Podcasts? Weil ich finde es ist ein unglaublich nahbares Erleben miteinander über Literatur zu sprechen. Es ist ein sehr intimes Sprechen, was man auf sein Ohr bekommt, wenn sich zwei Leute über Literatur unterhalten. 

Es macht Lust, es ist ein sehr persönliches Sprechen, es ist ein sehr persönlicher Zugang, mit anderen Menschen sich über Literatur auszutauschen und insofern etwas, das die Literatur vom hohen Ross runterholt und nahbar macht. Und deswegen sollte man ganz viel hören und vielleicht sogar selbst machen.“  

Das Digitale hält schon länger Einzug ins Deutsche Literaturarchiv Marbach. Und Podcasts? Sie werden in Zukunft eine deutlich größere Rolle bei der Arbeit im Literaturarchiv einnehmen. 

Vom Austausch profitieren also sowohl die Gastgeber als auch die Studierenden. 

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Diskussionsrunde zum Abschluss 

Am Abend: Vortrag und Diskussion. Literaturwissenschaftler und Journalist Johannes Franzen, Podcasterin und Literaturkritikerin Linn Penelope Rieger sowie Markus Gottschling vom Seminar für Allgemeine Rhetorik in Tübingen nehmen an der Stirnseite der Diskussionsrunde Platz.  

Gut 90 Minuten geht es um die Zukunft der Literaturkritik, praktische Podcasts-Tipps und persönliche Erfahrungen der Teilnehmer.  

Johannes Franzen resümiert: „Ich finde, es ist sehr schön gelaufen. Die Stimmung ist sehr produktiv, es kommen viel Fragen, aber das liegt natürlich auch daran, dass es eine Studientagung ist. Ich denke, da sind interessante Impulse dabei rumgekommen.

Es ist auf jeden Fall so, dass ich selbst begeistert Podcasts höre und ich viele Menschen kenne, die das tun. Dementsprechend bin ich tatsächlich zuversichtlich, was zumindest diese Form von kultureller Betätigung angeht.“  

Ein langer, aber interessanter Tag geht zu Ende. Und weil jetzt auch keine Tische mehr aufgebaut sind, gibt’s dann ganz zum Schluss von allen Teilnehmern statt Klopfen doch noch Applaus.

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